Grundrechte in der Europäischen Union: 

Der Fall Österreich

Staatsgrenze Oesterreich, Foto: Stefan Groß

Der aktuelle Bericht der österreichischen Volksanwaltschaft dokumentiert hunderte Fälle von Enteignung. Durch Verletzung von Grundrechten. Mit richterlicher Genehmigung. Ein Angriff auf den Rechtsstaat. Restitution in Milliardenhöhe erforderlich.


Der aktuelle Jahresbericht der österreichischen Volksanwaltschaft für 2016 wurde Anfang Mai vorgelegt. Im Bericht werden wieder 239 Fälle von Sachwalterschaft genannt, bei denen im Berichtszeitraum „Beschwerden“ vorgebracht wurden. Bereits im Berichtsjahr 2015 wurden weitere 219 und 2014 weitere 233 Fälle genannt. 

Laut den Berichten der Volksanwaltschaft gibt es weiters eine Dunkelziffer von telefonischen Anfragen, die nicht in dieser Statistik aufscheinen.

Schon im Bericht der Volksanwaltschaft 2010 findet sich die Aussage:
“15 Prozent aller Beschwerden über die Justiz und Justizverwaltung betreffen den Bereich der Sachwalterschaft. Im Brennpunkt der Kritik steht dabei die Vermögensverwaltung“.

Damit werden Grundrechte der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verletzt. Betroffen sind insbesondere das Eigentumsrecht (Artikel 17) und die Achtung des Privatlebens und Familienlebens, der Wohnung und Kommunikation (Artikel 7).

Die Grundrechte der Europäischen Union werden im EU-Mitgliedsstaat Österreich nicht mehr respektiert. Das belegen die parlamentarischen Berichte der österreichischen Volksanwaltschaft.

Ansätze für Lösungen werden von der Volksanwaltschaft nicht vorgelegt. Eine Beendigung des skandalösen Zustands ist damit weiterhin nicht in Sicht.

Das Geschäft mit der Sachwalterschaft bleibt eine wachsende Branche in Österreich, die offensichtlich prosperiert. Anfang 2000 gab es 31.000 Betroffene. 2014 gab es laut Statistik Austria rund 60.000. Das ist eine Verdoppelung der Fälle. In einer vom Justizministerium in Auftrag gegebenen Studie wird bereits ein Anstieg auf 80.000 Fälle innerhalb der nächsten Jahre prognostiziert.
Wohnungen werden geräumt

Es handelt sich um Enteignungen durch eine entwickelte Methode von Sachwalterschaft, die kriminell motiviert eingesetzt wird. Es wurden Strukturen im Justizapparat aufgebaut, um solche Enteignungen massenweise durchzuführen. Durch Verletzungen der Grundrechte.

Was bedeutet Sachwalterschaft: 
Alle Konten, alle Gelder und alles Vermögen werden vom Sachwalter übernommen. Der Sachwalter und seine Mitarbeiter betreten Wohnung und Büro des Betroffenen. Der Sachwalter führt Räumungen durch.

„Wohnung großteils leergeräumt bzw. komplett verwüstet, nur noch ein Wert von 300 Euro laut Sachverständigengutachten. Wertvolle Bilder, Teppiche, antike Möbel, Geschirr, Porzellanfiguren, grosse Kristalluster, Tisch- und Stehlampen, Schmuck, über 200 alte Bücher verschwunden. Wertpapiere und Konten geplündert“, berichtet Marion N., die in Wien von einem der berüchtigsten Sachwalter der Stadt angegriffen wurde.
Schon eine kurze Recherche über diesen Sachwalter führt jedenfalls zur Erkenntnis: Er würde, selbst bei Bedarf, keinesfalls als „Treuhänder“ beauftragt, da seine Methoden bereits dokumentiert sind. Er hält auch Regeln des „ordentlichen Kaufmanns“ und der Gewerbeordnung erkennbar nicht ein. Dennoch wird er weiterhin von Bezirksrichtern als Sachwalter bestellt.

Kein Firmenschild beim Hauseingang. Keine Website im Netz. Bei telefonischen Anfragen rasch der Hörer aufgelegt. Läutet man an der gut gesicherten Kanzleitüre, kommt manchmal eine Stimme aus der Gegensprechanlage. Ein kurzer Dialog. Die Tür wird nicht geöffnet. 

Ein Firmenschild beim Haustor ist in Österreich verpflichtend. Die Gewerbeordnung sieht ein solches Firmenschild vor, damit eine Auffindbarkeit jedenfalls gegeben ist. Ein guter Rechtsanwalt kennt § 66 der Österreichischen Gewerbeordnung, wo diese Bestimmung zu finden ist.



Strukturen für massenweise Enteignungen

Dieser Sachwalter verfügt über eine spezielle Banksoftware, über die er hunderte Konten bearbeitet. Die hohe Zahl der Fälle rechtfertigt der Sachwalter: Nur auf diese Weise sei es möglich die erforderlichen Strukturen aufzubauen, gerade auch was „Kontakte“ betrifft. 

Der Sachwalter betonte dies in einem Beitrag für die Fachzeitschrift „Anwalt aktuell“. Dort schreibt er weiters:

“Ich bin einer der bösen Sachwalter mit vielen Sachwalterschaften (…) Wer sind die Kritiker, die uns ständig beschuldigen: hauptsächlich Alten- und Behindertenverbände und Beschwerdestellen (Volks- und Patientenanwaltschaft) … unter hundert Eingaben sind – naturgemäß – hundert Beschwerden“.

Der Sachwalter macht selbst die Aussage, dass unter seinen Fällen auch ein Generaldirektor zu finden ist, dessen Vermögen er übernahm


Renten werden nicht ausbezahlt

Sachwalterschaft bedeutet, dass auch die wohlerworbenen Renten nicht ausbezahlt werden. Auch In den Jahresberichten der Volksanwaltschaft finden sich diesbezüglich erschreckende Belege:

“Ein älterer Wiener beanstandet, dass ihm der Sachwalter nur 100 Euro monatlich als Taschengeld überlasse. Das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, das er bei seiner Pension beziehe, werde ihm vom Sachwalter zur Gänze vorenthalten”.

In Österreich wird grundsätzlich ein volles 13. und 14. Monatsgehalt ausbezahlt: Urlaubsgeld und Weihnachtsremuneration. Auch bei den Pensionszahlungen, die für die Renten in Österreich vorgesehen sind.

Weiters wird über eine pensionierte Zahnärztin berichtet,
“dass die Sachwalterin über ihre hohe Pension von 4.000 Euro monatlich verfüge, während sie selber mit einem geringen Taschengeld ihr Auslangen finden müsse”.

Die Österreichische Pensionsversicherungsanstalt (PVA) ist zuständig für die Überweisung der Rentenzahlungen. Die Ombudsstelle der PVA lehnt auf Anfrage die Zahlung der Rente an den eigentlichen Bezieher ab. „Eine Auszahlung darf nur an den Sachwalter erfolgen“, erklärtt Herbert Hauerstorfer, der Ombudsmann der PVA.

Offenbar wird jeden Monat der Großteil der Rente vom Sachwalter übernommen. Und der 13. und 14. Monatsbezug bei Enteignung durch die Methode Sachwalterschaft grundsätzlich nicht an den eigentlichen Empfänger ausbezahlt. Bereits aus den Malversationen bei den Renten könnte über 10 Jahre ein Schaden von 1 Milliarde Euro entstanden sein.

Dazu kommen noch die Beträge aus der Übernahme aller Vermögenswerte: Immobilien (Zinshäuser, Bauernhöfe und Eigentumswohnungen), Sparbücher, Aktien, Schmuck, Kunstgegenstände, Orientteppiche.

Volksanwaltschaft greift nicht ein

Die Institution der Volksanwaltschaft wurde in Österreich 1977 eingerichtet. Sie soll „dem Schutz und der Förderung der Menschenrechte dienen“, wie sie selbst in ihrem Leitbild angibt. Sie soll allen Bürgern bei Problemen mit Behörden zur Verfügung stehen.

Die österreichische Volksanwaltschaft setzt aber keine Maßnahmen zum Schutz des Eigentums in der Republik Österreich. Ein Schutz des Eigentums, wie er von Staaten erwartet wird, die den Grundwerten der Europäischen Union und westlicher Demokratien entsprechen wollen.

Gertrude Brinek ist seit Juli 2008 österreichische Volksanwältin. Die promovierte Pädagogin ist für das Ressort Justiz zuständig. Volksanwältin Brinek behauptet, dass sie bei Enteignungen durch kriminelle Methoden von Sachwalterschaft über keine Befugnisse verfüge. Tatsächlich aber bleiben ihr drei Möglichkeiten zu agieren:

Erstens hätten längst Strafanzeigen “von Amts wegen” erfolgen müssen.

Die Volksanwaltschaft nenrnt es „Beschwerden“. Tatsächlich handelt es sich um Hinweise auf strafrechtlich relevante Tatbestände, die bei der Volksanwaltschaft zur weiteren Bearbeitung angezeigt werden.

Zweitens müsste die Volksanwaltschaft eine Dokumentation vorlegen, in der alle Beschwerden über Sachwalterschaften verzeichnet sind. Durch eine solche ausführliche Dokumentation läßt sich das System und Zusammenhänge erkennen. Statistiken können angelegt werden. 

Man sieht dann, wie oft ein bestimmter Sachwalter genannt wird und welche Bezirksrichter und Gutachter mit einem solchen Sachwalter in Verbindung stehen. So wird das kriminelle Netzwerk aufgedeckt.

Dafür sind jedenfalls Befugnisse gegeben. Es ist sogar ausdrücklich vorgesehen, dass die Volksanwaltschaft an das Parlament „jederzeit themenbezogene Sonderberichte übermitteln kann“.

Drittens müssen Medien und Öffentlichkeit durch Veranstaltungen, Konferenzen und Presseaussendungen ernsthaft und regelmäßig über die Vorfälle und erforderliche Maßnahmen informiert werden. Einzelne Fälle sind beharrlich mit einer solchen Öffentlicheitsarbeit zu begleiten.

Eine Diskussion um das Sachwalterschaftsgesetz genügt nicht. Diese dient nur als Alibifunktion. Es handelt sich deutlich um kriminelle Vorfälle durch ein Netzwerk von betrügerischen Sachwaltern, korrupten Richtern und eingekauften Gutachtern.
Volkswirtschaftlicher Schaden

Die Rechtsstaatlichkeit darf nie gefährdet werden. Der Wirtschaftsstandort kommt dadurch in die Diskussion. Absiedlungen von Unternehmen und Investoren sind die unvermeidliche Folge. Der Börsenplatz wird wesentlich geschwächt.

Die Folgewirkung: Persönlicher und volkswirtschaftlicher Schaden. Restitution und Schadenersatz wird die Republik Österreich leisten müssen. In tausenden Fällen.


EU: Grundrechte sind Fundament

Das Bekenntnis zu den Grundrechten war stets ein bestimmender Faktor des Aufbaus der Europäischen Union, die sich damit als Wertegemeinschaft versteht.

Seit dem Vertrag von Lissabon (2009) ist der Schutz der Grundrechte ein grundlegendes Element der Europäischen Union und wesentlicher Bestandteil beim Aufbau des supranationalen europäischen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts:

„Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte“ (Art. 2, Vertrag der Europäischen Union).

Verstößt ein Mitgliedstaat dauerhaft gegen die EU-Grundrechte, ermöglicht Art. 7 des EU-Vertrags von Lissabon strenge Konsequenzen, die auch zum Entzug des Stimmrechts im Rat der Europäischen Union führen.

„Die Achtung der Grundrechte in der Union ist die Voraussetzung dafür, dass zwischen den Mitgliedstaaten Vertrauen aufgebaut werden kann und auch die Öffentlichkeit Vertrauen in die EU-Politiken hat“, erklärt die Europäische Kommission in ihrer „Strategie zur wirksamen Umsetzung der Charta der Grundrechte“ (Brüssel, 19. Oktober 2010) 

Deshalb werden selbstverständlich nur dann Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union aufgenommen, wenn das Bewerberland diese Kriterien hinreichend erfüllt. Vor einem Beitritt wird insbesondere die Grundrechtssituation eingehend geprüft.
Da eine eklatante Verletzung der Grundrechte in Österreich gegeben ist, wird ein Eingreifen der Europäischen Union erforderlich sein. Denn in Österreich greifen staatliche und politische Institutionen seit Jahren bei diesen Vorfällen nicht ein. Ausreichender Schutz des Eigentums ist in Österreich nicht mehr gegeben. Korruption reicht weit in den Behördenapparat.

Eine Kommission der Europäischen Union wird die Vorfälle in Österreich untersuchen müssen. Der Schutz der Grundrechte im EU-Mitgliedsstaat Österreich muss wiederhergestellt werden. Auch Todesfälle im Zusammenhang mit der Methode Enteignung durch Sachwalterschaft werden aufzuklären sein.

Österreich kam wesentliche Bedeutung als Orientierung für mitteleuropäische Länder bei der EU-Osterweiterung zu. Dies beruht auf der traditionellen Rolle von Österreich in den Ländern Mitteleuropas, die bis in die Region Galizien reichte.

Auch aktuell macht die Republik Österreich damit Propaganda, dass Unterstützung beim Aufbau von Rechtsstaatlichkeit in anderen Ländern gegeben wird. Laut einer Presseaussendung des Österreichischen Justizministeriums vom 14. März will Österreichs Justiz Albanien beim Aufbau eines Rechtssystems nach EU-Standards fachlich unterstützen. Das sicherte der österreichische Bundesminister Wolfgang Brandstetter seinem albanischen Amtskollegen bei einem gemeinsamen Arbeitsgespräch zu:

“Daher komme ich der Bitte meines albanischen Amtskollegen gerne nach, die albanische Justiz mit unserer Expertise zu unterstützen“, so Justizminister Brandstetter anlässlich des Besuchs.

In welcher Weise dies geschehen soll, bleibt völlig unklar angesichts des seit Jahren desolaten Justizbereichs in Österreich.

Die Europäische Union wird die beschriebene Entwicklung in Österreich nicht hinnehmen können. Es könnten ansonsten in der Folge weitere Länder in der Europäischen Union bezüglich des Schutzes der Grundrechte gefährdet sein.

Österreich muss wieder ein Land werden, in dem Grundrechte und demokratische Werte respektiert werden. Wie es von einem Land erwartet wird, das den Grundwerten westlicher Demokratien entspricht.
© Autor: Johannes Schütz, 2017

Zum Autor:

 Johannes Schütz bereitet eine Buchpublikation vor: 
„Die Enteigner: Der größte Skandal der Republik Österreich“.
Johannes Schütz (Jahrgang 1961), Medienwissenschafter, war Lehrbeauftragter an der Universität Wien (Informationbroking, Recherchetechniken, Medienkompetenz), Vorstand des Zentrums für Medienkompetenz, Projektleiter bei der Konzeption des Wiener Community-TV, investigative Publikationen zur Einführung der .eu Domains.

Über Johannes Schütz 107 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel

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